Dem Volk aufs Maul geschaut
Mundartautor Hartmut Keil legt rheinhessisches Wörterbuch mit vielen Pretiosen vor
Das Rheinhessische lag bisher in einer Wahrnehmungsnische, was
die Dialektforschung betrifft. Um dem abzuhelfen, wurde letzte Woche im
Pfeddersheimer Weingut Wehrhof das "Rheinhessische Mundart-Lexikon" von Hartmut
Keil vorgestellt. Es ist im Ingelheimer Leinpfad-Verlag erschienen, und Volker
Gallé, der auch das Vorwort geschrieben hat, ließ erst einmal musikalisch hören,
was den Leser/die Leserin erwartet.
WORMS
(usw) - In der Tat kommt es selten vor, dass man ein Wörterbuch von vorne
bis hintern durchliest. Das neue Mundart-Lexikon macht hier eine Ausnahme.
Warum? Weil all die schönen kraftstrotzenden Wörter, die sich seit Jahrhunderten
in unserer Sprache eingenistet haben, hier auf einem Haufen versammelt sind und
nun der Reihe nach begrüßt werden wollen. Gute Bekannte sind das, die Schwarz
auf Weiß wie verkleidete Fremdwörter wirken und sich erst beim lauten Lesen auf
der Zunge zergehen lassen. Und schon geht's los mit dem "Dischbediere". Wie
schreibt man's richtig: "Goggel" oder "Gockel"? "Regadd" oder Regatt" Nun,
Hartmut Keil weist darauf hin, dass hier der Duden gottseidank nicht greift und
jeder nach Gehör schreiben darf. Mag sein, dass in diesem Wörterbuch der
heimischen Seele das eine oder andere Wort vergessen wurde - die "Bobbe" sind
beispielsweise nicht nur Puppen, sondern junge Mädchen - und noch viel öfter als
bereits geschehen, würde man gerne etwas über den Ursprung der Wörter erfahren,
doch wer schimpfend seinem Herzen Luft machen will, der findet in Hülle und
Fülle, was er braucht. Dabei muss er (oder sie) sich nicht einmal im Teil 2
"Rheinhessisch - Deutsch" von "A-A" bis "Zwoggel" durcharbeiten, sondern braucht
nur Teil 3 aufschlagen unter der Überschrift "Deutsch - Rheinhessisch". Hier hat
der Autor nämlich nicht nur "übersetzt", sondern ganze Synonymlitaneien
zusammengestellt, die tief ins rheinhessische Gemüt blicken lassen. Allein das
Repertoire für menschliche Charaktereigenschaften, das sich unter dem Stichwort
"Person" befindet, umfasst sechs Seiten ŕ zwei Spalten.
Man kann das "heitere
Glossar mit über 2400 Ausdrücken, Schimpfwörtern und Redewendungen", so der
Untertitel, natürlich auch ohne grammatikalischen Vorspann (Teil 1) verstehen.
Es hält vielleicht nicht jeder wissenschaftlichen Überprüfung stand, doch wurde
dem Volk humorvoll und genau aufs Maul geschaut und manche Kuriosität beim Namen
genannt. Mit der Unterscheidung zwischen dem normalen und dem aktiven Präsens,
dem Aufspüren der Passivform und des superlativem Imperativs ist Keil eine echte
Forscherleistung geglückt, die denkmalwürdig ist. Ob der Rheinhesse allerdings
prinzipiell so viel "duhe sahe duht", wie der Leiselheimer behauptet, sei dahin
gestellt. Ach, ja, und außerdem gibt es waschechte Rheinhessen, die nur
"regionale Umgangssprache" sprechen und ordentlich üben müssen, um das nasale
"A" und das geschleifte R (in Hänsem = Herrnsheim) authentisch auszusprechen.
INFOS
- Das Mundart-Lexikon ist im Leinpfad-Verlag, Ingelheim erschienen, ISBN
978-3-937782-83-6 und kostet 19,90 Euro.
- Autor und Verlag rufen ausdrücklich
dazu auf, Ergänzungen, Anregungen, Korrekturen oder Diskussionsbeiträge per
Mail, per Fax oder per Brief zu schicken! Adresse: Leinpfad Verlag, Leinpfad 5,
55218 Ingelheim, Fax, 06131/896951,
info@leinpfadverlag.de oder an
http://rheinhessisches-mundart-lexikon.over.blog.de
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