15. NS-Führer und der Wein

 

Viele der deutschen NS-Führung hatten mit Wein zu tun, sowohl privat, beruflich als auch gesellschaftlich. Der von 1938 bis 1945 als Reichsaußenminister eingesetzte Joachim von Ribbentrop (1893-1946) und Vizekanzler Franz von Papen (1879-1969) waren direkt aus der Weinbranche in die Politik gekommen. Ribbentrop war begeisterter Champagnerliebhaber, eine Vorliebe, die er als Handelsvertreter und Deutschland-Beauftragter für die Champagner-Marken Mumm und Pommery entwickelt hatte. Durch seine Heirat mit Anneliese Henkel, der Tochter von Otto Henkel - dem „deutschen Sektkönig“ - hatte er großes Vermögen im Weinhandel erworben. Auch andere führende Nazis wie Generalfeldmarschall Hermann Göring (1893-1946) und Reichspropagandaminister Josef Goebbels (1897-1945) prahlten gern mit ihren Weinkenntnissen und besaßen große Weinsammlungen. Während Goebbels eine Vorliebe für große Burgunderweine hatte, bevorzugte Göring Bordeauxweine, vor allem Château Lafite-Rothschild.

 

Adolf Hitler (1889-1945), von 1933 bis zu seinem Freitod im Jahr 1945 deutscher Reichskanzler und „großdeutscher Führer“, galt als „Antialkoholiker“. Es finden sich Angaben darüber, dass er überhaupt keinen Alkohol getrunken habe, andere wiederum meinen, er habe Bier und verdünnten Wein zu sich genommen. Der Hitlerbiograph Robert Payne schreibt: „Hitlers asketische Lebensführung war eine Erfindung von (Reichspropagandaminister) Goebbels, um seine Opferbereitschaft, Selbstkontrolle und die Distanz zu betonen, die ihn von anderen Menschen trennte.“ Albert Speer (1905-1981), zuletzt von 1942 bis 1945 Reichsminister für Bewaffnung und Munition, schreibt in seinen „Erinnerungen“ über einen gemeinsamen Abend mit Hitler und Gefolgsleuten in seinem Haus in Berchtesgaden: „Um diese eher trockenen Abende zu beleben, wurde Sekt gereicht und, nach der Besetzung Frankreichs, billiger Champagner; die besten Flaschen hatten sich Göring und seine Marschälle gesichert. Nach ein Uhr morgens konnten einige Gäste trotz größter Willensanstrengung sich das Gähnen nicht verkneifen, doch alle fühlten sich verpflichtet, diese monotone, langweilige Öde noch eine weitere Stunde oder länger zu ertragen, bis endlich Eva Braun (Hitlers Lebensgefährtin) ein paar Worte mit Hitler wechselte und sich dann zurückziehen durfte. Hitler selbst stand dann etwa eine Viertelstunde später auf und verabschiedete sich von seinen Gästen. Jetzt waren die übrigen Gäste wie befreit, und oft wurde noch ausgelassen mit viel Champagner oder Cognac gefeiert.“

 

Übereinstimmend wird von Hitler berichtet, dass er kein Weinliebhaber gewesen ist. Er habe einmal ein Glas mit einem großen französischen Wein nach dem ersten Schluck weg geschoben mit der Bemerkung, es sei nichts anderes als Essig. Andererseits sammelte er prestigeträchtig beste Weine aus Frankreich, wobei er bei Göring einen tatkräftigen Unterstützer fand. Er setzte nach dem „Sieg“ über Frankreich dort so genannte „Weinführer“ ein, die allesamt Weinkenner waren und die aufgrund ihrer Beziehungen zum Weinbau zugleich mit französischen Winzern und Weinhändlern gut umgehen konnten. Diese „Weinführer in Uniform“ hatten die Aufgabe, so viel guten französischen Wein wie nur möglich aufzukaufen und ihn gegen Devisen in alle Welt weiterzuverkaufen. Mit diesen Devisen sollte der Krieg mitfinanziert werden. Diese „Weinunterhändler“ hatten aber auch die Aufgabe, französische Weine den NS-Führern in Deutschland zu vermitteln. So ist belegt, dass Göring immer wieder große Wein-Bestellungen aufgab und die Weine entweder selbst oder für gesellschaftliche Anlässe verwertete.

 

Was erst nach Kriegsende aufgedeckt wurde, war die Tatsache, dass Hitler – obgleich er selbst kein Weinliebhaber war – über riesige kostbare Weinschätze verfügte. In einem großen Keller unterhalb eines Berggipfels auf dem „Adlerkopf“ nahe bei seinem Domizil in Berchtesgaden - dem „Berghof“ - entdeckten Franzosen im Mai 1945 diesen „Weinhort.“ Es waren Hunderttausende Flaschen bester Weine, die vorwiegend aus Frankreich geraubt waren. Hitlers Weinsammlung „war viel mehr als ein Weinkeller, sie war ein Symbol für die Grausamkeit Nazi Deutschlands und seine Gier nach den Schätzen und Reichtümern der Welt.“ So beschreiben es die Franzosen und Weinkenner Don und Petie Kladstrupp in ihrem Buch „Wein und Krieg“. Dieses Buch schildert den größten Weinraub in Frankreich als „Kampfhandlungen“ im Krieg und wie die französischen Widerstandskämpfer der Résistance unter Einsatz ihres Lebens versuchten, diese deutschen NS-Sabotageakte zu unterbinden.

 

Quellen: 

-  Don und Petie Kladstrup: „Wein & Krieg“, (Originalausgabe „Wine and War“), 3. Auflage Februar 2007, aus dem Englischen übersetzt von Dietmar Zimmer, ISBN 978-3-423-34152-3

-  Albert Speer: „Erinnerungen“, Berlin 1979, S. 105

-  Robert Payne: „The life and death of Adolf Hitler“ (Leben und Tod von Adolf Hitler), Verlag Barnes & Noble, New York, 1995.

 

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